Arbeitende Kinder brauchen eine Chance auf Kindheit
Nach jüngsten Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und UNICEF sind weltweit 160 Millionen Kinder von Kinderarbeit betroffen. 55,8% der betroffenen Kinder sind dabei unter 12 Jahren alt. Der größte Anteil der Kinder, etwa 70%, arbeitet dabei in der Landwirtschaft. Viele Kinder werden auch Opfer von Sklaverei, Kinderhandel oder Prostitution.
Kinderzentren: In Kinderzentren bekommen Mädchen und Buben neue Möglichkeiten: Sie erhalten Erste Hilfe und medizinische Grundversorgung. Es gibt gesunde Mahlzeiten, um sie vor Mangelernährung zu schützen.
Bildung: Täglicher Förderunterricht hilft den Kindern dabei, verpassten Lernstoff aufzuholen, damit sie bald eine staatliche Schule besuchen können.
Arbeit mit Eltern: Selbsthilfegruppen und Alphabetisierungskurse helfen, das Einkommen der Eltern zu verbessern, so dass sie nicht mehr auf die Arbeit ihrer Kinder angewiesen sind.
Wissenswertes zu Kinderarbeit:
Was ist Kinderarbeit?
Eine allgemeingültige Definition von Kinderarbeit gibt es nicht. Auf internationaler Ebene hat die IAO jedoch wichtige Normen gesetzt. Mit der Konvention 138 (1973) hat sie ein Mindestalter für verschiedene Formen der Arbeit festgesetzt:
- Mindestalter 13 für Jahre für leichte Arbeit
- Mindestalter 15 für gewöhnliche Arbeit
- Mindestalter 18 für gefährliche Arbeit
Um Kinderarbeit handelt es sich demnach, wenn diese Altersgrenzen unterschritten werden. Gefährliche Arbeit liegt vor, wenn Tätigkeiten oder Beschäftigungen ausgeübt werden, die sich ihrer Natur nach schädlich auf die Sicherheit, die körperliche oder seelische Gesundheit und die sittliche Entwicklung des Kindes auswirken können. Dies wurde 1999 mit dem „Übereinkommen über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen von Kinderarbeit“ (Konvention 182) präzisiert. Demnach sind die schlimmsten Formen ausbeuterischer Kinderarbeit verboten:
- Alle Formen von Sklaverei und sklavenähnlichen, ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen wie Kinderhandel oder Schuldknechtschaft
- Vermittlung und Anbieten zur Prostitution oder Pornografie
- Heranziehen, Vermitteln und Anbieten von Kindern für illegale Aktivitäten, z.B. Drogenhandel
- Andere Arbeiten, die ihrem Wesen nach schädlich für die mentale und physische Gesundheit der Kinder sind.
- Darüber hinaus verbietet Art. 32 der UN-Kinderrechtskonvention die wirtschaftliche Ausbeutung von Kindern.
Die Kindernothilfe orientiert sich an diesen Definitionen, weist aber darauf hin, dass es unpassend ist, Kindersoldaten, Kinderhandel, die Heranziehung, die Vermittlung oder das Anbieten eines Kindes zur Prostitution und Pornografie sowie der Gewinnung von Drogen unter die Begrifflichkeit der Kinderarbeit zu fassen, da es sich um kriminelle und illegale Praktiken handelt.
Warum arbeiten Kinder?
Kinderarbeit ist nicht auf eine Ursache allein zurückzuführen. Es sind kulturelle, soziale und wirtschaftliche Faktoren eines jeweiligen Landes, einer Region und globale Entwicklungen, die Einfluss darauf nehmen, ob Kinder ausgebeutet werden. Armut ist eine sehr wichtige Ursache, warum Kinder arbeiten müssen. Oftmals bleibt den Familien keine andere Wahl, um überleben zu können. Blickt man auf die Armutssituation eines Landes, bestätigt sich, dass in sehr armen Ländern auch sehr viele Kinder arbeiten müssen. Das sind vor allem die Länder in Afrika südlich der Sahara. Allerdings ergibt sich hier kein einheitliches Bild. So arbeiten in Uganda schätzungsweise 30 Prozent der Fünf- bis 14-Jährigen, in Benin liegt die Rate jedoch bei 65 Prozent, obwohl die Armutssituation in beiden Ländern etwa gleich ist, wenn man das Brutto-Inlandsprodukt pro Kopf als Maßstab nimmt.
Ein kultureller und sozialer Faktor ist zum Beispiel das Kastenwesen in Indien. Hier ist die Schuldknechtschaft besonders stark verbreitet. Kein ausreichendes oder ein schlechtes Bildungsangebot führt dazu, dass Kinder arbeiten gehen. In Krisengebieten oder nach Beendigung eines Krieges sind Kinder besonders gefährdet, in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse zu gelangen. In der informellen Wirtschaft ist die Nachfrage nach besonders billigen Arbeitskräften groß. Daher fällt die Wahl eher auf Kinder als auf Erwachsene, auch weil sie leichter beeinflussbar sind.
Folgen von Kinderarbeit
An vielen Kindern geht die schwere körperliche und gefährliche Arbeit nicht spurlos vorüber. Sie leiden unter Knochenbrüchen, Verbrennungen, Hauterkrankungen, Blindheit, Taubheit oder Atem-, Kopf- oder Magenschmerzen. Nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) sterben jedes Jahr etwa 22.000 Kinder und Jugendliche bei Arbeitsunfällen.
Für das Kind sein bleibt keine Zeit. Freizeit und Spielen bleibt Kinderarbeitern häufig verwehrt. Schwer wiegt auch, dass viele Kinder durch ihre schwere Tätigkeit keine Möglichkeit mehr haben, die Schule zu besuchen. Für ihre Zukunft ist das fatal, denn ohne einen Schulabschluss und eine Berufsausbildung haben sie keine Chance, ein höheres Einkommen und eine soziale Sicherung oder eine Renten- und Krankenversicherung zu erzielen und ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Oft beginnt so ein Teufelskreis, der erneut in Kinderarbeit endet.
Zahlen und Fakten
Nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und UNICEF arbeiten 2020 rund 160 Millionen Kinder, 73 Millionen davon gehen gefährlicher Arbeit nach. Die meisten von ihnen arbeiten in der Region Subsahara-Afrika. In Ländern wie Äthiopien, Burkina Faso, Tschad oder Kamerun liegt die Kinderarbeitsquote bei 39%. Insgesamt sind darüber hinaus mehr Buben, als Mädchen von Kinderarbeit betroffen.
Kinderarbeit findet man nahezu überall. Die meisten Kinder sind in der informellen Wirtschaft beschäftigt, d.h. in Einzel- oder Familienunternehmen ohne Verträge, Sozialleistungen oder abseits jeglicher sozial- und arbeitsrechtlicher Schutzsysteme. Erhebungen der IAO haben ergeben, dass sechs von zehn arbeitenden Kindern in der Land- und Forstwirtschaft, der Fischerei und der Jagd beschäftigt sind. Hier gibt es enge Verflechtungen zur informellen Wirtschaft, wo sich die mit Abstand höchste Zahl der arbeitenden Kinder findet.
Kinder in Beschäftigung: Kinder in Beschäftigung sind diejenigen, die während des Bezugszeitraums mindestens eine Stunde lang irgendeine wirtschaftliche Aktivität ausgeführt haben. Dies umfasst Formen der Arbeit sowohl in der formellen als auch in der informellen Wirtschaft, innerhalb und außerhalb der Familie, Arbeit gegen Entgelt oder zur Gewinnerzielung (in Geld- oder Sachleistungen, Teilzeit- oder Vollzeittätigkeit) oder hauswirtschaftliche Arbeit außerhalb des eigenen Haushalts des Kindes für einen Arbeitgeber (mit oder ohne Bezahlung).
Kinder in Kinderarbeit: Kinder in Kinderarbeit bilden eine Untergruppe von Kindern in Beschäftigung. Kinderarbeit meint die Beschäftigung von Kindern unterhalb des Mindestalters sowie die schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Die schlimmsten Formen von Kinderarbeit umfassen Kindersklaverei und -zwangsarbeit, Zwangsrekrutierung von Kindern als Soldaten, Kinderverkauf und Kinderhandel, Vermittlung und Anbieten zur Prostitution, Pornografie sowie Gewinnung von Drogen sowie gefährliche Arbeit.
Kinder in gefährlicher Arbeit: Kinder in gefährlicher Arbeit bilden eine Untergruppe von Kindern in Kinderarbeit. Gefährliche Arbeit ist jede Tätigkeit oder Beschäftigung, die ihrer Art nach schädliche Auswirkungen auf die Sicherheit, Gesundheit oder sittliche Entwicklung des Kindes hat. Dies umfasst Nachtarbeit, lange Arbeitszeiten, Arbeit, die Kinder einem körperlichen, psychologischen oder sexuellen Missbrauch aussetzt, Arbeit unter Tage, unter Wasser, in gefährlichen Höhen oder in engen Räumen, Arbeit mit gefährlichen Maschinen, Ausrüstungen und Werkzeugen oder Arbeit, die mit der manuellen Handhabung oder dem manuellen Transport von schweren Lasten verbunden ist, sowie Arbeit in einer ungesunden Umgebung, die Kinder beispielsweise gefährlichen Stoffen, Agenzien oder Verfahren oder gesundheitsschädlichen Temperaturen, Lärmpegeln oder Vibrationen aussetzen kann.
Verbot von Kinderarbeit als Lösung?
Wie kann man Kinderarbeit beenden? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, handelt es sich doch um ein komplexes Problem, das eine komplexe Lösung fordert. Aus unserer Sicht hilft ein undifferenziertes Verbot von Kinderarbeit nicht weiter. Angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in vielen Ländern kann Kinderarbeit auch nicht einfach und unmittelbar abgeschafft werden. Die Gründe liegen auf der Hand: „Befreit“ man Kinder per se aus ihrer Arbeitssituation, nimmt man ihnen und ihren Familien ein oft für das Überleben notwendiges Einkommen. In der Folge suchen sich diese Kinder andere Beschäftigungsmöglichkeiten oder landen auf der Straße.
Erforderlich sind vielmehr auf das jeweilige Umfeld und die Situation zugeschnittene Maßnahmen, die sich an den Rechten der Kinder orientieren. Diese Maßnahmen umfassen unter anderem:
Die Verbesserung von Bildungschancen: Dazu zählen der Zugang zu qualitativer formaler Bildung, non-formaler Bildung sowie angepasste Bildungsangebote für arbeitende Kinder. Bildung hilft den Kreislauf der Armut zu durchbrechen und ist eine wesentliche Grundlage für ein eigenständiges und selbstverantwortliches Leben.
Einkommensschaffende Maßnahmen für die Eltern: Eltern und andere erwachsene Familienmitglieder müssen zu fairen Bedingungen und einem angemessenen Lohn arbeiten können, anstatt für das Überleben der Familie auf die Einkommen ihrer Kinder angewiesen zu sein.
Den Staat in die Verantwortung nehmen: Der Staat hat die Pflicht, die Menschenrechte in seinem Einflussbereich zu verwirklichen. Er ist damit eine wichtige Zielgruppe unserer Arbeit. Darüber hinaus gilt es, auch andere gesellschaftlich relevante Akteure in die Verantwortung zu nehmen sowie die Zivilgesellschaft zu stärken, um Rechte einfordern zu können.
Kinder beteiligen: Kinder müssen mitreden, wenn es um ihre Belange geht. Das gilt auch für Kinderarbeiter. Deshalb achten wir darauf, dass sie in unseren Projekten beteiligt sind, sich organisieren, vernetzen und dort, wo dies sinnvoll ist, Dachorganisationen bilden können.
Eröffnung von Beschwerdewegen: Kinder müssen sich beschweren können, wenn ihre Rechte verletzt werden. Auf nationaler Ebene sollten Beschwerdeinstanzen, Kontakt- und Ombudsstellen geschaffen werden. Auf internationaler Ebene gibt es zukünftig ein Individualbeschwerdeverfahren.